Auf Reisen konsumieren wir anders als in gewohnten Strukturen. Und gerade wenn beim Packen etwas Wichtiges vergessen wurde, kann das Einkaufen das eigene Konsumverhalten sehr gut vor Augen führen. So geschehen bei Chrissi Holzmann. Sie betreibt das „Servus Resi – natürlich unverpackt“ in München und ist im Verband für das Thema Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Vom trubeligen Alltag im Laden entspannt sie am besten, wenn sie aufs Wasser schauen kann – am liebsten in Italien. Auch weil sie hervorragend mit dem Nachtzug von München dorthin kommt.
Sieben Euro?
Kurz habe ich überlegt, ob meine Italienischkenntnisse komplett versagen, als ich vor ein paar Wochen im Urlaub an der Adria in der Apotheke stand und mir die Dame hinter dem Tresen den Preis für 16 Tampons genannt hat. Ich hatte meine Tage eine ganze Weile zu früh bekommen, nicht damit gerechnet und deswegen meine Menstruationstasse zu Hause gelassen. Meine Menstruationstasse, die ich seit über 10 Jahren besitze und dafür einmal fünfzehn Euro ausgegeben habe. Seither kostet mich meine Periode… nichts.
Genauso überrascht bin ich oft im Drogeriemarkt, wenn ich sehe, was dort so auf dem Kassenband landet: Dinge, die wohl in jedem Haushalt als Standard zu finden sind, erstaunen mich nicht nur aus Sicht einer waschechten Zero-Wastlerin, sondern auch aus wirtschaftlichen und schlichtweg vernünftigen Gründen.
Warum gibt man Geld für Produkte aus, die für eine einzige Benutzung hergestellt wurden? Weil sie vermeintlich günstig sind und auf dem Kassenzettel nur als kleiner Posten nicht so stark zu Buche schlagen?
Was andere Verbraucher:innen in ihrem Leben für Wattepads, Feuchttücher und Reinigungsschwämme ausgegeben haben, übertrifft meine Ausgaben für fünf Waschlappen mit Sicherheit um ein Vielfaches. Die Kosmetikindustrie erklärt uns seit Jahren, dass wir mit Waschlotionen und Reinigungsmilch erst das Fett von unserem Gesicht runterwaschen müssen, um es dann mit teuren Cremes wieder aufzutragen. Die Industrie für Wasch- und Reinigungsmittel unterrichtet uns: die Wäsche muss weich sein und aprilfrisch duften – also genau für die zehn Sekunden während des Anziehens, in denen man einen Unterschied feststellen kann.
Und warum müssen unsere Toiletten plötzlich eine Duftperlenkette tragen?
Rasierklingen sind heutzutage nicht nur hinter Gittern, sondern werden uns mit viskosem Schaum und Gel verkauft, das sich gemeinsam mit den Härchen zu einer mörtelähnlichen Masse verbindet, die sich in den vergitterten Klingen derart festsetzt, dass sie sogar noch öfter getauscht werden müssen, als es mit einfacher Klinge und Rasierseife nötig wäre. Und das ist alles kein Zufall, sondern knallhartes Marketing mit dem Ziel: immer mehr zu verkaufen.
Nur: welcher Hersteller würde von langlebige(re)n Produkten profitieren? Welche Produzentin sagt ehrlich: Du brauchst uns eigentlich nicht, aber wir brauchen Dein Geld?!
Genau hier kommen wir Unverpacktläden ins Spiel und unsere – zugegeben manchmal betriebswirtschaftlich fragwürdige – Art des Handelns. Während die Regale in konventionellen Drogeriemärkten voll sind mit Produkten, deren Sinnhaftigkeit mindestens fragwürdig ist, setzen wir auf Minimalismus, Mehrweg und Marketing, welches aus Aufklärung besteht. Wie viele Produkte brauchen wir wirklich? Was liefert tatsächlich einen Mehrwert? Welche Inhaltsstoffe sind notwendig, welche nur unnötiger und teurer Chichi? „Unlearn Consumption“ nennen wir das und treten damit einen David-gegen-Goliath-Kampf für unseren Planeten an. Denn jedes Produkt, welches wir gelernt haben zu VERbrauchen, statt es zu GEbrauchen, ist eines zu viel.
Ob wir damit maximale Umsätze und Profite erzielen? Nope. Ob wir damit unsere Vernunft und unsere Umwelt bewahren und Kaufkraft für unter anderem notwendige und ecozertifizierte Kosmetik frei machen? Und wie!
*im Durchschnitt verbrauchen sich rasierende Personen 30 Rasierer / Klingen pro Jahr mit einem Gewicht von zirka 10 Gramm Restmüll (nicht recyclingfähig).
** die durchschnittliche Reinigungsroutine beinhaltet 2 Wattepads täglich mit einem Gewicht von 2 Gramm pro Stück. Für die Herstellung von Wattepads wird viel Wasser und Chemie benötigt.
*** eine menstruierende Person benötigt im Schnitt 35 Periodenprodukte pro Monat. Binden, Tampons & Co. bestehen u.a. aus Plastikpartikeln, die sie saugfähig machen.
Über die Autorin: Chrissi führt seit März 2020 ihren eigenen Unverpacktladen “Servus Resi” in München. Sie tritt damit in die Fußstapfen ihrer Ahninnen, denn bereits ihre Urgroßmutter Theresia, die auch Namensgeberin für den Laden ist, führte in dritter Generation einen kleinen Krämerladen im Allgäu. Sie ist im Vorstand des Verbandes und kümmert sich um alles rund um Marketing und PR.
Du hast noch Fragen? Kontaktier mich unter pr@unverpackt-verband.de.